Jessica

Ich bin 27 Jahre alt und habe Soziale Arbeit studiert. Fremde Kulturen haben mich schon immer interessiert und andere Lebensweisen, Bräuche und Rituale faszinieren mich und erwecken in mir starke Neugier. Während meines Studiums absolvierte ich ein Praxissemester in Ghana. Es war nicht immer leicht, aber die Offenheit, spontan gelebte Lebensfreude und Gastfreundschaft der Menschen zogen mich in ihren Bann. Letztendlich erlebte ich einen weitaus größeren Kulturschock bei meiner Rückkehr nach Deutschland, als bei meiner Ankunft in diesem mir fremden Land.

Im Anschluss an meinen Studienabschluss arbeitete ich 2 Jahre in der Straßensozialarbeit. Immer mehr verfestigte sich in mir die Überzeugung, einen Beitrag leisten zu wollen, um etwas an den vielen Ungerechtigkeiten in unserer Welt zu verändern. Aller Menschen der Erde, egal ob in Afrika, Südostasien oder Europa, sind fest miteinander verbunden. Das Handeln jedes Einzelnen kann zu einer Veränderung beitragen. Die Welt ist überschattet von verschiedensten Problemen, wie Armut, Umweltzerstörung und Ungerechtigkeiten. Jeder muss dabei seinen eigenen Weg finden damit umzugehen. Wenn wir uns wirklich als mündige Menschen bezeichnen wollen, dann sollten wir endlich einen Weg finden Verantwortung zu übernehmen, für uns und damit auch für jedes anderen Wesen, das mit uns in Verbindung steht.

Vom Wunsch getragen wieder in die westafrikanische Kultur einzutauchen und mit den Menschen dort in den Kontakt zu treten, bin ich auf Liberia gestoßen. Dieses kleine Land ist den Menschen in Deutschland meist nur durch die Ebolaepidemie im Jahre 2014 ein Begriff. Der von 1989 bis 2003 anhaltenden Bürgerkrieg und die damit assoziierten grauenhaften Bilder von Kindersoldaten, Massenmorden und Zerstörungen ist hierzulande kaum bekannt. Ich beschloss mir meinen eigenen Eindruck zu machen und plante ein halbes Jahr dort als Volunteer in verschiedenen Projekten zu arbeiten, aber auch das Land zu bereisen, mehr von den Menschen unterschiedlichster Landesteile zu erfahren und mir ein soziales Netzwerk aufzubauen. Ohne zu wissen was auf mich zukommen wird, bin ich in ein Land gekommen und auf Menschen getroffen, die mich nicht nur berührt, sondern auch eine tiefe Bewunderung in mir ausgelöst haben. Es gibt immer noch sehr viele Probleme in Liberia. Korruption gehört zum Alltag, begegnet einem an jeder Ecke und wird nicht einmal vertuscht. Viele Menschen leben in bitterer Armut und die Kriminalitätsrate ist dementsprechend hoch. Viele Kinder müssen arbeiten und werden nicht zur Schule geschickt, da die Familien sonst kaum genug Geld haben sich zu ernähren. In Städten sind die Straßen voller Kinder, die Essen, Wasser und geringwertige Gegenstände verkaufen. Auf dem Land müssen Kinder schon in frühen Jahren auf den Farmen helfen. Ganze Familien sind in diesem Teufelskreis der Armut gefangen und können nicht lesen und schreiben. Die Zukunft dieser Kinder ist perspektivlos, ungewiss und ein ewiger Kampf um das Beschaffen von Geld zum Überleben.

Mir ist es jedoch wichtig an dieser Stelle auch positive Aspekte aufzuzeigen und in den Fokus zu rücken. Bei meiner Reise durch das Land als völlig Fremde mit weißer Hautfarbe wurde mir eine unglaublich herzliche Gastfreundschaft entgegengebracht. Immer wieder luden Menschen mich zum Essen ein oder boten mir eine Bleibe für die Nacht an, obwohl sie selbst kaum etwas haben. Bringt man den Einheimischen Respekt entgegen, sind diese offen für Gespräche und Freundschaften und gehen gerne in einen kulturellen Austausch. Dieser intensive Kontakt führt in Folge auch dazu, dass eine individuelle Reise ohne weitere Vorkehrungen auch sicher gestaltet werden kann. Als deren Gast sehen die Liberianer deine Sicherheit als wichtige Priorität an und sorgen in Folge dafür, das der Aufenthalt und Weiterreise ohne Probleme verlaufen können.

Die Begegnung und Auseinandersetzung mit den Menschen in Liberia und ihren Schicksalen hat mich zutiefst berührt und mich zu dem festen Entschluss gebracht, mich für benachteiligte Kinder und Jugendliche in diesem Land einzusetzen. Deshalb habe ich das Konzept des Kids Care Campus e.V. gemeinsam mit Emmanuel und anderen Studenten der Tubman University entwickelt. Der Kids Care Campus e.V. soll den Kindern eine positive Zukunftsperspektive ermöglichen – denn nur mit einer starken zukünftigen Generation können wir eine dauerhafte Veränderung bewirken.